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Moskau, im Januar 2008 - [...]
MNG: Wie bewerten Sie insgesamt den Erfolg bei der Reformierung des BIZ?
Oleg Strahler: Das neue Bildungs- und Informationszentrum unterscheidet sich wesentlich vom BIZ in Mamontowka. Es gab sicher auch dort Vorteile, aber insgesamt konnte es von seinen Möglichkeiten her nicht die gesteckten Ziele erreichen, weil nur eine relativ kleine Gruppe von den Bildungsmöglichkeiten dort profitieren konnte. Inzwischen ist der Kreis der Aktivisten, die ihr Wissen im neuen BIZ erweitern konnten, deutlich größer geworden. Es gibt auch viel mehr methodisches Material, das auch durch Rückkopplung mit den Multiplikatoren entsteht, die ihre Erfahrungen, die sie zu Hause vor Ort gemacht haben, hier mit einbringen.
Eine große Hilfe für uns sind die Zeitschrift „BIZ-Bote“ und auch die Internetseite, obwohl es hier bestimmte Schwierigkeiten gibt, weil bei weitem nicht alle Begegnungszentren über die entsprechenden technischen Voraussetzungen verfügen. Was hier in Moskau längst selbstverständlich ist, bereitet uns selbst in Syktywkar, der Hauptstadt der Republik Komi, mitunter noch Schwierigkeiten, ganz zu schweigen von den vielen kleinen Ortschaften. Die Deutschen sind nicht dort, wo wir sie uns hinwünschen, sondern dort, wo sie nun einmal leben. Und wir unsererseits müssen uns mehr darum bemühen, ihnen näher zu kommen.
Welche Seminarthemen im BIZ haben Priorität, und welchen Veranstaltungen sollten vorrangig organisiert werden?
Auf den zweimal jährlich stattfindenden Beratungen der Koordinatoren wird über diese Frage gesprochen. Bestimmte Themen verschwinden ganz von selbst. Es kann auch sein, dass eine Veranstaltung durchgeführt wurde, an der beim nächsten Mal kein Interesse mehr besteht. Zum Beispiel ist es nicht nötig, die Multiplikatoren jedes Jahr mit dem Thema „Sozialarbeit“ zu konfrontieren. Wir wollen andere Richtungen mehr in den Mittelpunkt rücken.
![]() Oleg Strahler |
Das Hauptaugenmerk unserer Koordinationsstelle in Syktywkar liegt auf Sprache und Kultur. Wir widmen uns besonders intensiv der Geschichte der Russlanddeutschen und der Heimatkunde. Diese Themen, insbesondere ethnografische Expeditionen, sind vor allem für junge Leute sehr attraktiv und interessant. Obwohl Deutsche erst während der Stalinschen Repression in die Komi-Republik kamen, gibt es hier ein weites Betätigungsfeld, weil hier immer noch Zeitzeugen leben. Die Gespräche mit Ihnen, das Sammeln von Dokumenten und Gegenständen aus jener Zeit vertieft nicht nur das Wissen über jene Jahre, sondern hat auch eine große erzieherische Wirkung. Die Expedition selbst ist dabei nicht der Schlusspunkt. Anschließend wird das Material gesichtet und sortiert, und es werden Ausstellungen gestaltet, zum Beispiel zum 28. August, dem Trauer- und Gedenktag der Russlanddeutschen.
Bei den Multiplikatoren ist eine ständige Fluktuation zu beobachten: die einen kommen, die anderen gehen, weil sie was Neues suchen. Wer bleibt in den Koordinationsstellen? Was wäre zu tun, um die Leute stärker zu motivieren?
Ich glaube, gegen die Fluktuation kann man nichts machen. Sieht man einmal von den Fahrten zu Weiterbildungsveranstaltungen in Moskau ab, gibt es keinen weiteren materiellen Anreiz. Die Multiplikatoren arbeiten aus reinem Enthusiasmus. Es bleiben also nur die Leute übrig, die die Arbeit zu ihrem ureigensten Anliegen gemacht haben. 20 bis 30 Prozent der Mitarbeiter wechseln pro Jahr, damit müssen wir leben. Viele Multiplikatoren möchten gern Seminare veranstalten, können das aber wegen fehlender finanzieller Mittel oft nicht tun und büßen allmählich ihre Qualifikation ein. Ein Multiplikator wird nur dann bezahlt, wenn er Seminare durchführt. Die Koordinatoren verfügen nicht über finanzielle Mittel, können also keine Seminare für ein Jahr planen.
Es wäre schön, wenn wir die Arbeit nicht nur formal, sondern von Anfang bis Ende planen und koordinieren könnten. All die Jahre kämpfen die Koordinatoren darum, dass mit ihnen Verträge geschlossen werden, in denen ihre Zuständigkeit festgeschrieben wird. Aber die Leitung des BIZ kann das Problem vorerst nicht lösen. Das ist auch das größte Problem der Koordinatoren, vor allem jener, die in ihren Begegnungszentren keine leitende Funktion ausüben. Häufig heißt es dann: Ihr leistet gesellschaftliche Arbeit, wieso fragt Ihr ständig nach Geld? Nach meiner Ansicht aber wäre eine angemessene Finanzierung ein Hebel, der Koordinatoren, Multiplikatoren und Leiter von Begegnungszentren noch stärker für die gemeinsame Arbeit stimulieren könnte.
Quelle: Кирилл Корякин: «Перспективы BiZ ...»;
Kirill Korjakin: „Perspektivy BiZ ...“;
Moskovoskaja Nemeckaja Gazeta Nr. 221/07, S. 7;
Übersetzung: Norbert Krallemann
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![]() Bildungs- und Informationszentrum (BIZ) Das Bildungs- und Informationszentrum (BIZ) führt Seminare und Fortbildungen im sozialen und kulturellen Bereich sowie zu verschiedenen Aspekten von Projektarbeit durch. Mit dieser Arbeit fördert das BIZ das Entwicklungspotential vor allem gesellschaftlicher Organisationen in verschiedenen Regionen der Russischen Föderation und den Neuen Unabhängigen Staaten. Einen Schwerpunkt der Arbeit stellt die Weiterbildung und Betreuung von MitarbeiterInnen deutscher Kulturzentren und russlanddeutscher Organisationen in Russland, Kasachstan, Kyrgyzstan, Usbekistan und der Ukraine dar. Darüber hinaus bietet das BIZ für gesellschaftliche Organisationen, Firmen und Institutionen die inhaltliche und technische Organisation von Seminaren und Workshops zu unseren zentralen Themen an. Bildungs- und Informationszentrum (BIZ) Tel.: 007 – 495 – 246 00 29 |