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„Auch die Deutschen haben ihre Problemecken“

Waldemar Weiz engagiert sich für die Jugend
„Auch die Deutschen haben ihre Problemecken“

Vor sieben Jahre ist Waldemar Weiz mit seiner Frau und dem damals fünf Monate alten Sohn nach Deutschland ausgesiedelt. Für den ehemaligen Vorsitzenden der russlanddeutschen Organisation ‚Eintracht’ in Omsk war der Entschluss zur Übersiedlung nicht von ungefähr gekommen. Damals hielten sich bereits die meisten Verwandten schon in Deutschland auf. Am neuen Wohnort hat sich Waldemar in der Integrationsarbeit engagiert und einen Verein gegründet, der sowohl Begegnungsstätte als auch Interessenvertretung für die ortsansässigen Russlanddeutschen bietet. Im Gespräch mit der „Moskowskaja Nemezkaja Gaseta“ erzählt er von seiner neuen Heimat und dem ‚Sport- und Kulturverein Adler e.V’.

Kürten, im Februar 2008 –
Moskowskaja Nemezkaja Gaseta: Wie haben Sie Ihre Ausreise vorbereitet?
Waldemar Weiz: Kurz nachdem meine Eltern den Antrag gestellt hatten, habe ich geheiratet. Daher musste ich noch einige Monate warten, um über die Regelung zur Familienzusammenführung ausreisen zu können. Meine Frau war mir in dieser Zeit eine große Stütze. Ich lebte damals bereits in Russland, wo die Ausreiseangelegenheiten wesentlicher schneller gelöst wurden als in Kasachstan, von wo meine Eltern ausgereist sind. Sie mussten praktisch für jede Unterschrift Geld auf den Tisch legen.

Wie gestaltete sich der Anfang in Deutschland?
Unsere Eltern hatten uns leider nicht gut genug Deutsch beigebracht, so dass die Sprachbarriere das größte Problem nach unserer Ankunft in Deutschland war. Und natürlich hatten wir auch von den geltenden Gesetzen keine Ahnung. Mit diesen Schwierigkeiten haben wir sicher noch eine ganze Weile zu tun. [...]

Alles war neu und ungewohnt. Der Gesamteindruck aber war positiv, und das ist bis heute so. Auch viele Vorurteile haben sich nicht bestätigt. Die Deutschen sind angeblich immer pünktlich, gründlich, halten die Straßen sauber und befolgen die Gesetze. Insgesamt trifft das zwar schon zu, aber auch die Deutschen haben ihre Problemecken. Wir sind als junge Menschen nach Deutschland gekommen und haben uns sofort ins Arbeitsleben gestürzt. Das war sicher auch ein Grund dafür, dass wir die Übersiedlung zu keiner Zeit bereut haben.

Wie sah es in Deutschland mit Ihrer beruflichen Tätigkeit aus?
Unmittelbar vor der Ausreise hatte ich mein Studium in Omsk als Diplomingenieur für Wasserwirtschaft und Hydrotechnik abgeschlossen. In Deutschland wurde der Abschluss innerhalb einer Woche problemlos anerkannt. Da aber für dieses Berufsbild hier kein so großer Bedarf besteht, studiere ich parallel zu meiner Arbeit als Spezialist für die Qualitätssicherung der Bearbeitung von Metalloberflächen noch an der Fachhochschule Köln Maschinenbau. [...]

Wie sind Ihre Verwandten mit der Übersiedlung zurecht gekommen?
Meine Frau und meine Geschwister sind mit dem neuen Leben zufrieden. Meine Mutter hat es da schwerer. Sie hat 20 Jahre in Kasachstan als Lehrerin gearbeitet, in Deutschland konnte sie nicht wieder in ihrem Beruf anfangen. Außerdem war sie bei der Ausreise bereits über 50 Jahre alt. In diesem Alter ist es besonders schwer in der Bildung, Kultur oder Medizin eine Stelle zu finden. [...]

Wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Sport- und Kulturverein Adler e. V. zu gründen?
Als ich noch in Russland lebte, war ich in verschiedenen Jugendorganisationen aktiv, und zwei Jahre stand ich an der Spitze der russlanddeutschen Organisation „Eintracht“ in Omsk. Als ich dann schon fünf Jahre in Deutschland lebte, verspürte ich wieder den Drang, mich gesellschaftlich zu betätigen, um so mehr, als es in unserem kleinen Städtchen Kürten keine landsmannschaftliche Organisation der Russlanddeutschen gab, also niemanden, der sie in der Kommune vertreten konnte. Mit der Gründung des Vereins wollten wir etwas für unsere Kinder tun und außerdem eine Begegnungsstätte für die Erwachsenen schaffen.

Heutzutage sitzen die Kinder viel zu lange am Computer und denken nur an Handys und anderes, womit der sie sich vergnügen können. Dabei geht die Beziehung zur Natur völlig verloren. Unser Verein bietet den Kindern ein breit gefächertes Sportprogramm und Deutschkurse an. Parallel dazu fördern wir aber auch die russische Sprache. Für die Jugendlichen haben wir eine Volleyball- und eine Fußballmannschaft aufgebaut, damit sie sich nicht ganz selbst überlassen und bleiben und sinnlos ihre Zeit totschlagen. Hier kommen übrigens Kinder von Zugereisten und Alteingesessenen zusammen, um gemeinsam zu spielen und zu reden, was auch für das Erlernen der deutschen Sprache sehr nützlich ist.

Was bietet der Verein Adler e. V. den Erwachsenen?
Im benachbarten Bergisch-Gladbach leben viele Spätaussiedler aus Russland, Kasachstan und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken. Viele können noch nicht richtig deutsch sprechen und es fehlt oft an der notwendigen beruflichen Qualifikation. Die meisten von ihnen kommen aus der Landwirtschaft. Sie finden hier keine Arbeit und haben große materielle Probleme. In unserem Verein können sie ein neues Selbstbewusstsein aufbauen, Kontakte zu anderen Russlanddeutschen knüpfen und lernen, wieder aktiv zu werden. Im Verein können sie nicht nur Sport treiben, sondern auch im Chor singen und sich weiterbilden, also ein kulturvolles Leben führen. Hauptziel unseres Vereins ist es, die Integration von Russlanddeutschen und anderen osteuropäischen Emigranten zu fördern, denn in den Sportmannschaften sind sowohl Aussiedler als auch Einheimische vertreten.

Was planen Sie für die Zukunft?
Wir wollen demnächst unser Betätigungsfeld erweitern. So bereiten wir derzeit das Projekt „Drei-Generationen-Haus“ vor, das die Kreativität und die Liebe der Kinder zum Sport fördern soll, gleichzeitig aber auch Erwachsenen die Möglichkeit bietet, hier eine interessante Freizeit zu verbringen. Für die Jüngsten (4 bis 7 Jahre) soll es Zirkel geben, in denen sie sich mit Sprache, Tanzen und Malen beschäftigen können. Weiterhin ist eine Theatergruppe für unterschiedliche Altersgruppen [...] geplant. Für die Jugendlichen soll es eine Tanzgruppe, eine Musikgruppe und einen Klub geben. Den Erwachsenen werden neben Chor, Gymnastik und Volleyball Sprachkurse und Rechtsberatung angeboten. [...]

Quelle: Кирилл Корякин: «... И все начать сначала»;
Krill Korjakin: ... I vse nacat’ snacala“;
in: “Sootvecestveniki za rubezom”, S. III
(Monatsbeilage der Moskovskaja Nemeckaja Gazeta Nr. 225/07;
Übersetzung: Norbert Krallemann


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